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Pfahlbausiedlung

Unesco Welterbe

Das Wauwilermoos entsteht

Vor etwa 20'000 Jahren zog sich der Reussgletscher zurück und hinterliess eine von Seen geprägte Landschaft. In der Wauwilerebene gab es ursprünglich drei Seen. Heute existiert lediglich der Mauensee. Der eigentliche Wauwilersee wurde um die Mitte des 19. Jahrhunderts endgültig trocken gelegt. Auf alten Karten aus dem 17. und 18. Jahrhundert ist der See noch gut erkennbar. Auf einem Foto von 1932 sieht man deutlich die sternförmig platzierten Parzellen im Moos. Hier wurde erst Torfabbau und anschliessend Landwirtschaft betrieben.
Der heutige Egolzwilersee liegt ausserhalb der Vergletscherung und gehört nicht zum Wauwilermoos. Von hier kennen wir noch keine prähistorischen Funde, was doch sehr überraschend ist.
Die Wauwiler Ebene war von Anfang an für die Menschen als Siedlungsraum attraktiv. Heute kennen wir über 120 steinzeitliche Siedlungsplätze, davon elf jungsteinzeitliche Dörfer, die sogenannten „Pfahlbauten“. Die wichtigsten jungsteinzeitlichen Dörfer liegen auf Egolzwiler Boden, es gibt aber auch ältere Fundstellen in der Gemeinde.


Jäger und Sammlerinnen

Die ältesten Funde aus Egolzwil wurden bei einer Ausgrabung am Fusse der Moräne gemacht. Die gefundenen Pfeilspitzen und Geräte aus Feuerstein stammen aus verschiedenen Phasen der Alt- und Mittelsteinzeit, etwa zwischen 11'000 und 8000 vor Christus.

Steinzeitliche Bauern

Die ersten Grabungen in Egolzwiler „Pfahlbauten“ fanden im Jahr 1859 statt, als beim Torfabbau gut erhaltene Überreste von steinzeitlichen Häusern gefunden wurden. Besonders intensiv wirkte der Schötzer Amateurarchäologe Johannes Meyer im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts. Insbesondere hat er das Dorf Egolzwil 1 ausgebeutet, zum Teil im Auftrag von Museen in Basel und Zürich. In den frühen 1930er-Jahren hat sich dann der deutsche Archäologe Hans Reinerth vorwiegend dem mehrphasigen Dorf Egolzwil 2 gewidmet, wo spektakuläre Funde und Befunde gemacht werden konnten. Zwischen 1950 und 1989 hat das Schweizerische Landesmuseum in Zürich umfassende Untersuchungen in den Siedlungen Egolzwil 3, 4 und 5 durchgeführt. Eine 2009 durchgeführte Sondierung in Egolzwil 3 zeigt eine schwarze jungsteinzeitliche Kulturschicht mit Pfählen, die in der Seekreide des ehemaligen Sees eingebettet ist.

Während die Dörfer Egolzwil 3 und 5 nur einmal während einer kurzen Phase besiedelt wurden, sind in Egolzwil 2 und 4 während langer Zeit wiederholt Dörfer errichtet worden. Analysen haben gezeigt, dass das Egolzwiler Ufer zwischen 4300 und 2500 vor Christus bewohnt wurde.

Die Häuser

Die Häuser sind – mit Ausnahme der Dächer – wegen den guten Erhaltungsbedingungen weit bekannt. Typisch sind Böden aus Rundhölzern oder Balken. Häufig sind sie direkt auf dem Torf oder der Seekreide platziert. Manchmal gibt es aber auch eine Unterlage aus Ästen oder in der Form eines Holzrostes. Eine abgehobene Bauweise – also Pfahlbauten – wurde im Wauwilermoos nie nachgewiesen. Verschiedene Bauteile aus Holz zeigen uns, dass die Bautechnik recht fortgeschritten war, die Häuser standen wegen dem feuchten Boden jedoch nur wenige Jahre. In allen Häusern findet man Feuerstellen aus Lehm. In den Häusern wurden auch Haustiere, Rinder, Ziegen und Schweine gehalten. Wie gross die Dörfer waren, ist nicht bekannt. Einige Siedlungen hatten wahrscheinlich nur fünf bis sechs Häuser, andere sicher mehr als 20. Dörfer mit mehr als 100 Einwohnern waren wohl die Ausnahme. Einige Dörfer waren von Zäunen umgeben, andere nicht. In den 1930er-Jahren rekonstruierte Hans Reinerth, der 1933 einen hohen Posten im nationalsozialistischen Regime übernahm, Egolzwil 2 als fast festungsartige Konstruktion mit einem Hafen. Die Wirklichkeit sah wohl anders aus und heute gehen wir eher von einfachen Dörfern am Seeufer aus.

Lebensgrundlage

Ackerbau
In Egolzwil 3 wurden verschiedene Weizenarten (Einkorn, Emmer und Dinkel) aber auch Gerste gefunden. Ausserdem wurden Erbsen, Leinen und Schlafmohn angebaut. In den übrigen Fundstellen wurden keine solcher Untersuchungen durchgeführt. Erntemesser mit Klingen aus Feuerstein, Mühlensteine und Dreschgeräte aus Holz zeigen Gewinnung und Verarbeitung der Getreide im Dorf.

Viehzucht
Anhand von Knochenfunden kann festgestellt werden, welche Haustiere gehalten wurden. In der frühen Phase (Egolzwil 3) stammten 63 % der Knochen von Schafen und Ziegen und 35 % von Hausschweinen. Hinzu kommen – was sehr überraschend ist – nur einige wenige Knochen von Hausrindern und Hunden. In der jüngeren Phase (Egolzwil 4) stellt das Hausrind genau die Hälfte der Knochen. Schafe und Ziegen machen 18 %, Hausschweine 29 % der Haustierknochen aus. Die übrigen stammen von Hunden. Bemerkenswert ist, dass im Frühling Laub und Knospen als Viehfutter verwendet wurden.

Jagen und Sammeln
Die Jagd war immer wichtig für die Nahrungsbeschaffung. In der älteren Phase (Egolzwil 3) stammen die Hälfte der Knochen von Wildtieren, in der jüngeren Phase (Egolzwil 4) 40 %.
Der Hirsch war immer ein wichtiges Beutetier. In Egolzwil 3 war das Reh jedoch noch besser vertreten. Gute „Fleischlieferanten“ waren auch Wildschwein, Auerochse, Waldbison (Wisent), Elch, Biber und Braunbär. Für ihre Felle jagten die frühen Egolzwiler z. B. Wolf, Fuchs, Wildkatze und Luchs. Der Fischfang ist durch Fischnetze, Netzschwimmer und -senker sowie Angelhaken und Harpunen aus Hirschgeweih belegt.
Nicht zu unterschätzen ist, was in der Natur gesammelt werden konnte. Neben Vogeleiern, Schnecken und Muscheln wurden viele pflanzliche Ressourcen genutzt. Leider wurden die Pflanzen nur in Egolzwil 3 untersucht. Wichtig waren dort Haselnüsse, Erdbeeren, Wildäpfel, Eicheln, Hagebutten, Brombeeren, Himbeeren und Holunder.

Handwerk
Besonders auffallend ist die hochstehende Qualität der Holzartefakte. Zahlreiche, fast modern anmutende Gefässe aus Holz wurden geborgen. Perfekt waren auch die vielen Beilschäfte aus Holz und ein besonders schöner Kamm aus Eibenholz.
Gefässe aus Ton sind der grössten Fundgruppe zuzuordnen. Neben den vielen Gefässen kann ein besonders seltenes Stück, eine ringförmige Lampe für drei Dochte, erwähnt werden.
Aus Pflanzenmaterialien und Wolle wurden Textilien, Schnüre und Seile hergestellt. Etliche Webgewichte und Textilien zeigen, dass der Webstuhl bereits erfunden war. Aus Rindenbast wurden ausserdem Körbe geflochten und aus Birkenrinde Schachteln gefertigt.
Hirschgeweih und Knochen wurden für die Herstellung von Geräten und weiteren Gegenständen verwendet. In Egolzwil 2 hat man besonders viele Becher aus Hirschgeweih geborgen. Für was sie verwendet wurden, weiss man aber nicht.

Handel und Transport
Obwohl die Pfahlbauer von Egolzwil ein einfaches Bauernleben führten, zeigen Importfunde, dass sie weitreichende Kontakte hatten. Feuerstein wurde vorwiegend aus Olten (SO) und Otelfingen (ZH) eingehandelt. Es gibt aber auch Feuersteinartefakte, die aus Bayern, Zentralfrankreich und Norditalien stammen. Besonders interessant ist ein geflochtener Sack aus Egolzwil 3, der voll mit Schmuckanhängern aus Muschelschalen und Marmorperlen war. Die Schmuckanhänger waren nämlich aus Muscheln aus dem Mittelmeer hergestellt. In Egolzwil 2 wurde ausserdem ein Beil aus Kupfer gefunden, das aus Metall aus Österreich oder Slowenien hergestellt wurde.
Ein kleines, unscheinbares Holzfragment gehört zu einem Wagenrad und somit zu den ältesten Rädern Europas. Dank Funden aus anderen Teilen der Schweiz wissen wir recht genau, wie solche Räder ausgesehen haben.

Egolzwilerkultur – die ersten „Pfahlbauer“ der Schweiz

Die Bezeichnung Egolzwilerkultur ist in Fachkreisen europaweit ein bekannter Begriff, wie überhaupt die Bedeutung des Wauwilermooses für die Erforschung der Steinzeit unbestritten ist.
Wie kam es zu dieser Bezeichnung? Um die Kulturentwicklung der Jungsteinzeit, die zwischen 5500 und 2200 v.Chr. zu datieren ist, zu begreifen, benennen die Archäologen die Kulturphasen nach besonders wichtigen Fundstellen. Diese Fundstellen gelten als charakteristisch für einen bestimmten Zeitraum in einer bestimmten Region. Die Fundstelle E3 im Egolzwilermoos wurde zwischen 1932 und 1988 teilweise archäologisch untersucht und hat ein besonders grosses und wichtiges Fundmaterial geliefert.
Die Analysen haben gezeigt, dass hier um 4300 v.Chr. – also vor 6300 Jahren – ein Dorf vorhanden war. Es wurde lediglich während etwa sechs Jahren bewohnt, wonach wohl ein neues Dorf in der unmittelbaren Nähe gegründet werden musste. Obwohl die Häuser ebenerdig gebaut wurden, wird die Fundstelle wegen der Lage in der feuchten Uferzone am ehemaligen See und den in der Seekreide erhaltenen Pfählen zu den so genannten „Pfahlbauten“ gezählt. Mehrere Bücher wurden bereits über das Dorf geschrieben – und weitere sind in Vorbereitung. Nicht nur für die Archäologie ist Egolzwil E3 wichtig, auch die Umweltwissenschaften beschäftigen sich mit den Ergebnissen aus den Grabungen.
Die guten Erhaltungsbedingungen haben ein einmalig reiches Fundmaterial mit bemerkenswert vielen Gegenständen aus Holz, Knochen, Geweih, Stein und Keramik geliefert. Besonders typisch für diese Kultur sind die Gefässe aus Ton. Mit der Zeitstellung um 4300 v.Chr. handelt es sich ausserdem um den bis anhin ältesten Pfahlbau der Schweiz, der naturwissenschaftlich datiert werden konnte. Mit dieser Phase im Wauwilermoos fängt also die „Pfahlbauzeit“ in der Schweiz an.
Seltene Fundstellen mit vergleichbaren Funden aus dem Wauwilermoos und gar aus dem Zürchersee, belegen, dass mit der Egolzwiler Fundstelle E3 eine Kulturgruppe im späten 5. Jahrtausend vor Christus in der Zentralschweiz vorhanden ist. Nur Egolzwil E3 hat bis anhin ein grösseres Fundmaterial geliefert, das gut beschrieben und auch datiert werden konnte. In Anerkennung der Bedeutung wird deshalb die früheste „Pfahlbauphase“ der Schweiz in der Wissenschaft als Egolzwilerkultur bezeichnet.